Dienstag, 31. Juli 2012

Aiguille d'Argentiere (3901m) – Fleche Rousse Grat (AD)

Unser Ziel hieß Aiguille d'Argentiere und der Weg dort hin sollte über den Ostsüdostgrat führen der auch Fleche Rousse Grat genannt wird. Es handelt sich um einen kombinierten Grat, der mit dem Schwierigkeitsgrad AD bewertet ist. Kombiniert bedeutet, dass es sich um einen Aufstieg mit sowohl Firn-/Eispassagen handelt (hier bis zu 50° steil), als auch Felspassagen (hier bewertet mit Schwierigkeitsgrad III bzw. nach einer anderen Beschreibung 4b). Die Tour soll laut Routenbeschreibung im Aufstieg bis zum Gipfel 2h + 5,5h dauern, wobei die ersten zwei Stunden die Zeit von der Hütte bis zum Einstieg in den Grat angeben, welche über eine Moräne und den Glacier des Amethystes führen. Der Abstieg über den nicht zu unterschätzenden Normalweg auf die Aiguille d'Argentiere dauert nach dem anstrengen Aufstieg laut Führer weitere 2 Stunden. Somit hatten wie eine errechnete Gesamtlänge der Tour von ca. 10 Stunden vor uns.

Unser Wecker klingelte um 2:45 Uhr. Wir zogen schnell unsere Tourenkleidung an und verließen möglichst leise das Lager, in dem die anderen Bergsteiger noch schliefen. Im Frühstücksraum trafen wir auf eine einzige zweite Seilschaft unter den ca. 30 Leuten auf der Hütte, die auch so zeitig wie wir aufgestanden war. Das Frühstück auf der Argentierehütte ist eine der wenige Sachen, die uns an der Hütte nicht positiv auffielen.

Anlegen der Gamaschen kurz vor dem Start um 3:20 Uhr.

Um 3:28 Uhr starteten wir auf einer Höhe von 2711m in die noch ziemlich dunkle Nacht. Es überraschte uns, wie warm es war. Trotz der Dunkelheit kam es mir sehr warm vor. Es war gefühlt wärmer als am Tag zuvor, als wir etliche Stunden später zum Klettern den gleichen Weg von der Hütte die Moräne hinauf nahmen. Man folgt der Wasserleitung von der Hütte aus bis zu ihrem Ende und steigt dann den Moränenhang empor, um auf der Gletschermoräne über Geröll auf den Gletscher zu gelangen. Wir versuchten möglichst lange im Geröll zu bleiben und betraten um 5:00 Uhr angeseilt den Gletscher auf ca. 3072m Höhe.

Das Seil packten wir eine Stunde später wieder ein, da wir am Fuß eines Firncouloirs standen, das uns auf den Grat bringen sollte. Das Couloir erstiegen wir in ca. 15 Minuten und kamen dabei ganz schön aus der Puste. Unter uns sahen wir die zweite Seilschaft, die mit uns gefrühstückt hatte, auch den Fuß des Couloirs erreichen.

Blick nach unten auf die zweite Seilschaft, die uns an dem Tag folgte.

Langsam kam auch die Sonne über die Berge uns erhellte die ersten Spitzen des Ostsüdostgrates. Wir sahen jede Menge Felstürme vor uns, die es zu um- und übersteigen galt.

Sonnenaufgang an den Türmen des Fleche Rousse Grates.

Das Couloir endete in ziemlich brüchigem und mülligem Fels unterhalb des Grates. Wir stiegen durch die losen Steine, die auf sandigem und rutschigem Untergrund lagen weiter nach oben, um den Kamm des Grates zu erreichen. Jede Bewegung war sehr vorsichtig und unser Gewicht balancierten wir zwischen den Füßen und Händen vorsichtig aus, um nicht aus versehen die teilweise sehr losen Steine unter uns wegrutschen und nach unten poltern zu lassen.

Wir erreichten den Grat und die Blöcke, die herumlagen wurden etwas größer. Teilweise waren auch diese vom Herunterpurzeln gefährdet, sodass wir weiterhin sehr vorsichtig die vor uns liegenden Blöcke überstiegen.

Chuck auf Blöcken am Grat mit einigen Türmen
und dem dicken Fleche Rousse im Hintergrund.

Den ersten Turm auf dem Grat umstiegen wir auf der rechten Seite, weitere umgingen wir links, oder überstiegen sie. Wir kamen an einem kleinen Firnsattel wieder auf den Grat und überkletterten die weiteren Türme, die teils wieder von zweifelhafter Felsqualität waren.


Ab uns zu ging es wieder ein bisschen nach unten auf dem Grat und wir gewannen insgesamt wenig an Höhe.


Die meiste Zeit ging es über Felsen und wir hatten nur wenig Schnee oder Firn zu überklettern. Große Teile gingen wir ohne Steigeisen an den Füßen.


Nach einer Weile erreichten wir einen Turm, den wir erkletterten, bis es plötzlich nicht mehr so richtig weiter ging. Wir standen auf einem großen Block und der Weiterweg wurde durch einen abweisenden Felsen versperrt. Ein großer Block drängte uns ab und wir kamen nicht mehr wirklich weiter. Zwei oder drei Meter vor der abweisenden Stelle befand sich ein schmales Loch im Fels, das aussah, als würde man vielleicht auf die andere Seite des Grats wechseln können. Es war mittlerweile 7:28 Uhr und wir befanden uns seit ca. 1,5h auf dem Grat. Ich legte meinen Rucksack ab und zwängte mich durch die Öffnung. Dahinter schien es tatsächlich weiter zu gehen. Nach ein paar Metern kehrte ich zurück und Chuck schob unsere Rucksäcke durch das Loch, die ich entgegennahm. Danach kam auch Chuck durch das Loch geschlüpft.

Wechsel auf die andere Seite des Grates durch eine 
enge Nische im Fels.

Eine weitere knappe Stunde später erreichten wir einen Turm, der kaum erkletterbar aussah. Spuren hatten wir auf dem gesamten Grat wenige gefunden. Hier aber gab es nun eine Spur, die den Turm auf der rechten Seite umging. Der erste Teil des Abstiegs nach rechts war eine steile Firnflanke, für die wir die Steigeisen anlegten und das Seil herausholten. Chuck sicherte mich über die Flanke nach rechts auf den Grat im Firn an dem Turm vorbei. Nach ca. 50m Querung holte ich ihn am Seil nach.

Chuck bei der Querung im Firn rechts an einem Turm vorbei. 

Nachdem wir beide am Stand waren, sah der Weiterweg durch Firn und Fels so aus, als könnten wir einfach wieder den Grat erreichen. Wir packten das Seil weg und kletterten den Hang hinauf. Leider hatten wie den oberen Teil der Flanke etwas unterschätzt. Plötzlich standen wir in ziemlich steilem Eis. Ich hatte das Gefühl, dass der Pickel und die Fontalzacken der Steigeisen kaum in den Eispanzer eindrangen. Diese Stelle gefiel mir gar nicht und wir retteten uns sobald es ging den Fels hinauf. Wir nehmen an, dass es falsch war, diesen Turm auf der rechten Seite in der Firnflanke umgehen zu wollen.

Da der Fels ziemlich steil wurde, sicherten wir bis auf den Turm hinauf und dann noch zwei Seillängen weiter, bis wir den Fuß des letzten Turms vor dem Fleche Rousse erreichten. In Felsen und Firn querten wir zum unteren Ende des im Führer beschriebenen Firncouloirs. Durch unsere Erfahrung mit dem Eis, das wir kurz vorher am Grat gefunden hatten, betrachteten wir das nach oben sehr steil werdende Couloir skeptisch.

Chuck am oberen Ende des Firncouloirs zum Fleche Rousse.

Wir hatten Glück und das Firncouloir hatte noch viel Firn und kaum Stellen, an denen das Eis etwas näher an die Oberfläche kam. Es war allerdings schon kurz nach 10:00 Uhr und die Sonne stand schon eine Weile auf dem Firn, der wegen des sowieso eher warmen Wetters schon etwas weicher geworden war. Unsere dünnen Handschuhe hatten sich total vollgesogen, als wie oben aus dem Couloir ausstiegen.

Was wir nun vorfanden irritierte uns allerdings ziemlich. Wir standen vor einer Felswand, die von einem großen parallelen, senkrechten Riss durchzogen war, der allerdings wenig kletterbar aussah. Jedenfalls sah er schlecht zu klettern aus, wenn man bedenkt, dass der Führer Felspassagen bis zum dritten Schwierigkeit angab. Dieser Fels sah eindeutig schwieriger aus (später, auf der Hütte, fanden wir eine Tourenbeschreibung unseres Grates, die Felspassagen bis zum Grad 4b angibt).

Der Einstige ließ sich kaum absichern und erforderte einiges an Gelenkigkeit und Gezerre. Nach den ersten Metern fand ich eine Stelle zum Sichern und konnte vernünftig am Seil weiter vorsteigen. Die Schwierigkeit des Fels zwang mich mitten in der Wand meine Steigeisen abzulegen, da ich ohne diese sicherer klettern konnte.

Chuck oben auf dem Fleche Rousse.

Nachdem wir den Fleche Rousse erklettert hatten, ging es noch eine Seillänge weiter, bis wir auf der anderen Seite auch schon wieder abseilen mussten.

Abseilen vom Fleche Rousse.

Kaum hatten wir auf dem Firngrat das Seil wieder aufgenommen und weggepackt, kamen wir an eine zweite Abseilstelle. Diese war nur kurz, aber wir hielten es für besser, das Seil wieder auszupacken und abermals abzuseilen.

Dann war endgültig der Weg frei und wir erreichten über einen schönen Firngrat den Gipfel der Aiguille d'Argentiere. Obwohl vom Gipfel des Fleche Rousse der Gipfel der Argentiere schon fast zum Greifen nah schien, dauerte es mit dem Abseilen doch noch knappe 50 Minuten, bis wie den Gipfel unseres Tagesziels erreichten. Um 13:00 Uhr standen wir nach 9,5h Aufstieg auf der Aiguille d'Argentiere auf 3902m Höhe.

Kurz vor dem Gipfel auf dem breiteren Firngrat.

Jetzt galt es nur noch, auf der anderen Seite des Berges wieder hinunterzukommen. Vor uns lag eine steile Firnflanke, auf der aber eine gute Spur sichtbar war.

Abstieg auf dem Normalweg vom Gipfel der 
Argentiere.

Weiter im unteren Bereich wurde der Firn durch die fortgeschrittene Zeit des Tage und die Sonneneinstrahlung immer weicher und teilweise bildeten sich Schneekissen unter den Steigeisen, die dafür sorgten, dass die Füße leicht wegrutschten. Der Hang wurde jedoch immer flacher und so stellte der Abstieg auf dem Gletscher keine großen Probleme dar.

Wir erreichten die Felsen am Fuße des Gletschers und hier passierte es: wir fanden in dem ganzen Geröll unterhalb des Gletschers nicht den richtigen Weg. Steinmänner lockten uns hier und da immer wieder in die falsche Richtung und von einer Sackgasse in die nächste. Insgesamt kämpften wir uns stundenlang durch das Geröll, bis wir um 17:37 Uhr endlich wieder an der Hütte ankamen. Der Abstieg hatte uns somit 4,5 Stunden gekostet, obwohl er wahrscheinlich in 2-3 Stunden zu schaffen gewesen wäre.

Chuck um ca. 18:00 Uhr vor der Argentierehütte.

Mit unseren Abstiegseskapaden hatten wir nun 14 Stunden Tour in den Knochen und waren kein bisschen motiviert noch die 4-5 weiteren Stunden Abstieg ins Tal auf uns zu nehmen. Wir baten die Hüttenwirtin, uns noch für eine weitere Nacht ein Lager zu geben.

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