Nach späterer Überlegung standen wir
dennoch erst um 2:00 Uhr morgens auf und nahmen das Frühstück im
Gastraum ein, in dem neben uns noch eine Seilschaft war, die um 1:30
Uhr unser Lager verlassen hatte. Unsere Nacht war durch einen
Nachzügler im Lager etwas unruhig gewesen. Anstelle sich auf die
Matratze neben seiner Frau zu legen, legte er sich auf die beiden
Matratzen neben uns. Anstelle sich einfach hinzulegen, leuchtete er
noch lange mit seiner Stirnlampe herum und kramte in seinen Taschen.
Anstelle einfach einzuschlafen, fiel ihm irgendwann später noch ein,
mit dezenten Schmatzgeräuschen neben mir einen Apfel zu essen.
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Um 2:50 Uhr vor der
Hütte zum Start in die Nacht.
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Wir kamen etwas spät (50 Minuten nach
dem Aufstehen) los und starteten den Weg an der alten Hütte vorbei
zum Gletscher hinauf, den wir am Tag zuvor schon ausgekundschaftet
hatten. Nach kurzer Zeit erreichten wir den Gletscher und legten die
Steigeisen an, da dieser an manchen Stellen ziemlich steil ist
und auch Passagen über blankes Eis am Vortag zu sehen gewesen waren.
Die Spur, der wir folgten, war ziemlich
gut im Dunkeln zu finden. Wie wir von zwei Leuten auf der Hütte, die
am Tag zuvor kurz unterhalb des Gipfels der Aiguille Verte biwakierten, erfahren hatten, würde uns die deutlichste Spur auf dem
Gletscher direkt zum Einstieg am Bergschrund zum Moine-Grat führen.
Die Nacht war stockduster. Es war kaum möglich, die Silhouetten der
Berge gegen den Nachthimmel auszumachen. Eine Orientierung war also
abgesehen von der Spur kaum möglich.
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Am Bergschrund über
uns in die Höhe ragender Firnzwackel,
der in die schwarze Nacht
hinauszeigt.
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Um kurz nach fünf erreichten wir den
Bergschrund, zu dem wir eine steilere Firnwand hinaufklettern
mussten. Die Wand ließ sich sehr gut gehen, da der Firn gut griffig war. Über große Firnblöcke durchstiegen wir
die Spalte des Bergschrunds. Hier deponierten wir auch unsere Stöcke,
die wir erst wieder für den Abstieg brauchen würden. Wir gingen
nach ein paar Orientierungsversuchen schräg nach links eine
Felsplatte ein paar Meter nach oben, um dann von hinten auf von oben
herunter ragenden Firn aufzusteigen. Dieser Firn erlaubte uns, eine
kleine Firnwand hochzusteigen und so den Bergschrund vollends zu
überwinden.
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Morgendämmerung über
dem Mont Blanc um 6:24 Uhr.
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Wir suchten nach dem Bergschrund den
beschriebenen Weiterweg über eine Rampe, die sich nach links
hinaufziehen sollte. Erst gingen wir zu weit links und kamen in
steile Felspassagen, die kaum kletterbar aussahen. Wir mussten wieder
umkehren und versuchten dann eher etwas gerade hoch weiterzukommen.
Die Rampe sollte leicht zu finden sein und maximal IIIer Felsstellen
aufweisen. Es gelang uns anscheinend nicht, sie von Anfang an zu
finden. Wir erkletterten eine ziemlich harte und garstige
Verschneidung zu einem Abseilstand, die im folgenden Bild zu sehen
ist.
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Steile Verschneidung im
Fels, die wir eher mit einem
Schwierigkeitsgrad oberhalb III bewerten
würden.
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Wir schafften es trotz der kleinen
Verhauer am Anfang irgendwann, auf die beschriebene Rampe zu kommen.
Vereinzelt fanden wir Steinmänner vor, und es waren auch deutliche
Begehungsspuren sichtbar. Langsam wurde es hell um uns, was eine
Orientierung deutlich erleichterte. Wären wir noch früher
gestartet, hätte dies wohl auch ein Problem für uns dargestellt, da
wir ja den Weg nicht im Detail kannten.
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Die Morgensonne auf dem
Mont Blanc um 6:36 Uhr.
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Unser Weg zog sich ziemlich weit nach
links die Flanke hinauf. Fast am Grat und 50m unterhalb einer Scharte
sollte man wieder nach rechts gehen, um kurz unterhalb des Grates
weiter aufzusteigen. Wir nehmen an, dass wir etwas zu weit unten
schon gequert sind. So kamen wir in eine auch schon weiter unten zu
erkennende aber von uns dort gemiedene Schuttrinne. In dieser Rinne
befand sich ziemlich lose Erde und Geröll, das leicht ins Rutschen
kam.
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Die Sonne scheint über
die Droite um 7:44 Uhr.
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Lange mussten wir der Rinne nicht
folgen, sondern stiegen direkt an ihrem Ende zu einer Gratkante auf.
Ein Blick über die Kante überrasche mich: Wo ich den Rest des Bergs
vermutet hatte, brach es einfach zum Gletscher hin ab. Wir mussten
uns etwas nach links zum eigentlichen Grat orientieren, konnten aber
nicht ganz einfach erkennen, wo man endlich auf den Grat kommen
würde. Wir stiegen weiter eine Weile neben den Grat empor und
erkletterten ihn irgendwann über einige kurze aber ziemlich steile
Felspassagen. Als wir nun auf dem Grat standen, sahen wir zwei
Seilschaften, die am Abstieg waren. Es waren immer noch sehr viele
Höhenmeter bis zum Gipfel vor uns.
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Chuck in einer steilen
Firnpassage mit einem
beeindruckenden Tiefblick.
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Der Weg von der Hütte bis zum Gipfel
ist im Führer mit 2h (Zustieg bis Bergschrund) + 5-7h (Aufstieg auf
Grat) angegeben. Am Anfang hatten wir ein bisschen Zeit verloren, das
Gelände war sehr unübersichtlich, und ich sah sehr lange Zeit nie
den Gipfel, sodass es schwer einzuschätzen war, wie wir überhaupt
in der Zeit lagen.
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Chuck kurz vor dem
Betreten eines schmalen Firngrates.
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Unser Weg zog sich über einige jeweils
kurze Firnpassagen zum Teil in steileren Flanken, zum Teil aber auch
auf schmalen Graten und Wächten. Anfangs waren wir ohne Steigeisen
geklettert, hatten diese aber nun doch angelegt, da immer wieder Firn
kam und die reine Felsschwierigkeiten (bis auf eine Ausnahme mit
Fixkeil und Schlinge gesichert) nicht mehr so hoch waren.
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Ein weiteres kurzes
Stück Firngrat mit einem atemberaubenden
Tiefblick auf die Gletscher
unter uns (links: Talèfre; rechts: Tacul
und nach Mündung mit
Leschaux dann Mer de Glace).
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Endlich zeigte sich der Gipfel der
Aiguille Verte, der sich bisher immer hinter erneuten
Felsaufschwüngen versteckt gehalten hatte. Auf dem Foto oberhalb
sieht man Chuck auf den letzten Metern zum schmalen Firngipfel auf
4122m.
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Das Panorama vom Gipfel
aus nach Südwesten.
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Als wir den Gipfel erreichten, war es
11:43 Uhr. Somit hatten wir für den Aufstieg seit der Hütte knapp
9h gebraucht und waren damit noch in der angegebenen Führerzeit.
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Chuck auf dem Gipfel
der Aiguille Verte (4122m).
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Es war auf dem Gipfel ziemlich windig, und wir hielten uns nur knapp 10 Minuten dort auf, um den sagenhaften
Aus- und Tiefblick zu genießen. Dann machten wir uns jedoch wieder
an den Abstieg, um an einer windgeschützteren Stelle eine kleine
Essenspause einzulegen.
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Gipfelfoto von mir auf
dem kleinen Firngipfel der Aiguille Verte (4122m).
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Den größten Teil des Abstiegs
begingen wir über unseren Aufstiegsweg. Da der Moine-Grat ein häufig als Abstieg genutzter Weg ist, fanden wir an den steileren
Stellen meist Abseilschlingen. Einige Stellen waren jedoch nicht zum
Abseilen ausgerüstet, und so kletterten wir auch öfters mit eigenen
Zwischensicherungen, die einer legte und der andere wieder
einsammelte, gemeinsam am Seil ab. Ein paar Stellen kamen uns im
Abstieg ziemlich heikel vor, und einmal opferten wir auch eine
Schlinge, um uns daran abzuseilen. Das Opfern von Schlingen ist in
dieser Tour anscheinend keine Seltenheit, und an vielen Stellen sieht
man Schlingen über Zacken hängen.
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Weiter unten im Abstieg
um 17:16 Uhr.
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Der Abstieg zog sich. Wir waren schon
lange unterwegs und merkten nun auch, dass wir doch langsam müde
wurden. Das Gelände war immer noch anspruchsvoll, und Fehler sollten
besser nicht unterlaufen. Konditionell schienen wir beide, trotz der
bisherigen Länge der Tour, noch ganz gut drauf zu sein.
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Nach Verlassen des
Grates wieder in der Sandkasten-Flanke
des Grates über dem
Bergschrund und Talèfre Gletscher.
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Nach dem Verlassen des Grates über
mehrfaches Abseilen in die Flanke hinunter wurde das Gelände wieder
sehr bröselig. Wir folgten den gut sichtbaren Steinmännern, die uns
in Richtung der Scharte brachten, an welche man sich schon im Aufstieg orientiert. Trotz mehrfachem Ausschau Halten nach dem Band, das in der Flanke
wieder in die entgegengesetzte Richtung ziehen sollte, fanden wir es
nicht. Wir folgten weiter Steinmännern, die uns jedoch zu einem
Abbruch führten, an dem wir keine Abseilstellen fanden.
Kleinere Steinmänner standen immer
wieder herum, schienen aber in die Irre oder zu Abbrüchen zu führen.
Wir sahen unter uns eine breitere Terrasse, von der man anscheinend
über den Bergschrund abseilen konnte. Nach weiterem Herumsuchen
entschieden wir uns, abermals Material zu opfern, um uns zur Terrasse
abzuseilen. Zum Opfern kam es nicht, da wir ein paar Meter über uns
eine Schlinge sahen, die ich ankletterte, um dann von dort aus
abzuseilen. Wir erreichten die Terrasse und seilten von dort aus zwei
Mal (wobei das zweite sehr kurz war) bis knapp über den Firn ab.
Vom letzten Abseilstand im Fels konnten wir uns gerade in den
Bergschrund abseilen. Die Firnblöcke im Bergschrund waren nun etwas
weicher, und einige fielen unter uns zusammen.
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Absteigen im Firn nach
dem Überwinden des Bergschrunds.
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Nachdem wir nun auch den Bergschrund
hinter uns hatten, lag um 19:23 Uhr nur noch der Gletscher zwischen
uns und der Hütte. Langsam aber sicher war bei mir auch die Luft
raus. Das Gelände war nun weniger heikel, und so merkte ich auch,
dass ich doch schon ganz schön erschöpft war.
Wir erreichten die Hütte um 20:47 also
nach knapp 18h Tour. Somit hatten wir für den Aufstieg sowie für
den Abstieg jeweils ca. 9 Stunden gebraucht.
Zu unserer Überraschung fragte uns die
Hüttenwirtin beim Betreten des Gastraums, ob wir denn noch das
Abendessen haben wollten. Dieses Angebot schlugen wir natürlich
nicht aus und freuten uns, dass wir so spät nach der eigentlichen
Essenszeit (18:30 Uhr) noch etwas Warmes bekamen. Nach dem Essen
dauerte es nicht lange, bis wir uns in unser zugewiesenes Lager
verzogen und nach der langen Tour ziemlich kaputt in die Matratzen
sanken.
Am nächsten Tag kamen wir um 7:30 Uhr
zum Frühstück, das bis 8:00 Uhr möglich sein sollte. Im Gastraum
trafen wir verhältnismäßig viele Leute an, was wohl daran lag,
dass es draußen sehr neblig war und regnete. Wir ließen uns Zeit
mit dem Frühstück und dem Packen, wollten dann aber auch nicht
unbedingt noch länger warten und beschlossen den Abstieg anzugehen.
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Um kurz nach 9:00 Uhr
vor der Couvercle Hütte.
Ähnliche Fotos an der gleichen Stelle,
aber bei besserem Wetter,
existieren aus dem Juli 2008 und August
2004 (siehe unten in dem
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